Interphone-Studie:
Das Verwirrspiel der Mobilfunklobby
Verzögerung
Mit
rund
fünfjähriger Verzögerung wurden am 17. Mai 2010 endlich
die ersten Gesamtergebnisse der in 13 Ländern durchgeführten
Interphone-Studie online veröffentlicht. Die internationale
Krebsagentur (IARC) in Lyon hat die Studie koordiniert und finanziert
haben die Mobilfunkindustrie, die Europäische Union und andere
Quellen. Im Rahmen dieser mit insgesamt 19 Millionen Euro finanzierten
Studie sollte herausgefunden werden, ob ein statistischer Zusammenhang
zwischen dem Auftreten verschiedener Arten von Hirntumoren und dem
Gebrauch von Handys besteht. Es wurden zu diesem Zweck rund 14‘000
Personen befragt.
Schlamperei
Die grosse Verzögerung kam hauptsächlich deshalb zustande,
weil sich unter den beteiligten Forschergruppen zwei Lager bildeten,
die sich lange nicht auf ein gemeinsames Ergebnis einigen konnten. Das
wissenschaftliche Ergebnis ist deshalb interessenpolitischer Natur und
entsprechend schwammig ausgefallen. Für die 19 Millionen Euro
wurde praktisch nichts herausgefunden, was für besorgte
Handy-Nutzer von Bedeutung ist. Die beteiligten Forscher räumen
schlussendlich selber ein, dass aufgrund methodischer Mängel und
Verzerrungen keine
klare Aussage darüber möglich sei, ob Handy-Strahlung nun
für
die Zunahme von Hirntumoren ursächlich sei oder nicht. Im
Widerspruch zu ihrem
Ergebnis warnen die beteiligten Forscher aufgrund
der erhobenen Daten aber vor Langzeitrisiken und besonderen Gefahren
für Kinder. Weitere Forschungsarbeit sei deshalb notwendig.
Vorerst wurden nur die Ergebnisse für Hirngewebstumore und
Hirnhauttumore präsentiert. Die Ergebnisse zu
Gehörnervtumoren und Ohrspeicheldrüsentumoren sollen erst
viel später folgen.
Vertuschung
Das Verwirrspiel um die Interphone-Studie gleicht einem Negativbeispiel
aus dem Lehrbuch. Es wurden derart viele und vor allem banale
methodische Fehler im Rahmen der empirischen Forschungsarbeiten
gemacht, dass man an keinen Zufall glauben mag. Der kurze Text mit den
Schlussfolgerungen scheint vordergründig Entwarnung zu geben.
Trotz dieser Mängel geht aus dem Datenmaterial, das in den
Anhängen zur Studie versteckt wurde,
klar ein erhöhtes Risiko
für Langzeitnutzer hervor. Der Mobilfunklobby ist es
offensichtlich bereits vor rund zehn Jahren gelungen, das Studiendesign
so anzulegen, dass kaum ein für sie kritisches Ergebnis zu
erwarten war. Nachdem es für die Mobilfunkindustrie immer
schwieriger wird, die gesundheitlichen Risiken der Handy-Strahlung zu
leugnen, versucht sie nun in einem taktischen Schachzug möglichst
viel Verwirrung zu stiften. Das vorliegende Ergebnis von Interphone
gleicht denn auch einer Rauchbombe, die vom Wesentlichen ablenken soll.
Ablenkung
Was genau ist das Wesentliche? Bei der Interphone-Studie handelt es
sich um eine epidemiologische Arbeit, das heisst, es wurden
statistische Zusammenhänge aufgrund von Befragungen erforscht.
Epidemiologische Studien dienen vor allem der Bildung von Hypothesen
für weitere, vertiefte Forschung. Aussagekräftiger ist eine
möglichst grosse Zahl gut dokumentierter Einzelfälle.
Bezüglich „Handy-Nutzung und Hirntumoren“ liegen bereits
Gerichtsentscheide aus
mehreren Ländern vor, die einen
Zusammenhang zwischen Mobilfunkstrahlung und
gesundheitlicher
Schädigung bestätigen. Der jüngste Fall stammt
aus
Brescia, wo das Gericht dem Betroffenen attestierte, dass der Tumor in
seinem Kopf vom vielen beruflichen Telefonieren mit dem Handy
verursacht wurde und ihm deshalb eine Invalidenrente zustehe.
Gleichzeitig verschickt die Swisscom Prospekte an ihre Kunden, in denen
sie zur Vorsorge bei der Handy-Nutzung mahnt.
Das heute insgesamt vorliegende Hinweismaterial aus Studien,
Praxiserfahrungen und Gerichtsentscheiden im Zusammenhang mit
Mobilfunkstrahlung mahnt zu
ernsthafter
Vorsorge. Es empfiehlt sich
deshalb,
den eigenen Handy-Gebrauch zu reduzieren und insbesondere Kinder nur in
wirklich dringenden Fällen der Funkstrahlung auszusetzen.
Ausführliche
Analysen und Kritiken zu den Ergebnissen der Interphone-Studie sind bei
folgenden Organisationen zu finden:
Diagnose
Funk (CH/D): http://www.diagnose-funk.org
Gigaherz (CH): http://gigaherz.ch
Microwave News (USA):
http://microwavenews.com
Electromagnetic
Facts (AUS): http://www.emfacts.com
Elettrosensibili (I): http://www.elettrosensibili.it
Robin des toits (F): http://www.robindestoits.org
Die
Zusammenfassung der Interphone-Studienergebnisse (Originalpublikation)
ist hier zu finden:
International
Journal of Epidemiology: http://ije.oxfordjournals.org
Die sehr wichtigen Anhänge dazu sind hier zu finden: http://ije.oxfordjournals.org
Nachfolgend
eine kleine Auswahl an Kommentaren aus der Presse:
The
Wall Street Jounal: http://online.wsj.com
Empfehlenswert sind auch die Kommentare dazu: http://blogs.wsj.com
Süddeutsche
Zeitung: Kein Grund zur Entwarnung. http://www.sueddeutsche.de
NZZ: So schlau als wie zuvor. http://www.nzz.ch
Tagesanzeiger: Führt eine intensive Handynutzung zum Hirntumor? http://www.tagesanzeiger.ch
Bayerischer Rundfunk: WHO-Studie mit unklarem Ergebnis. http://www.br-online.de
Welt Online: WHO schließt Krebsrisiko durch Handys nicht aus. http://www.welt.de/wissenschaft
Netzwelt: Langzeitstudie: Handystrahlen möglicherweise doch
gefährlich. http://www.netzwelt.de